Wie viel Offenheit verträgt das Thema Suizid?

Ereignisreiche Wochen neigen sich dem Ende zu. Mein Vortrag "Wie viel Offenheit verträgt das Thema Suizid" stößt auf vermehrtes Interesse und ich durfte ihn vor einem interessierten Publikum in Zürich, Luxembourg, Wolfsburg und Bad Frankenhausen halten. Die Rückmeldungen sind überragend positiv.

 

Und, wie viel Offenheit verträgt das Thema Suizid nun?


Es mag viele Gründe geben, warum wir nicht über Suizid sprechen. Meiner Meinung nach haben die öffentlichen Medien daran eine große Mitverantwortung! Die Medien haben die Aufgabe Menschen und Meinungen zusammenzubringen und für einen Austausch zu sorgen. Aber das Thema Suizid taucht nicht auf, höchstens dann, wenn sich ein Prominenter das Leben genommen hat und die Presse - meist reißerisch - darüber berichten kann, natürlich nicht um aufzuklären, sondern um die eigene Reichweite und die Klickzahlen (Onlinemedien) zu steigern. Ansonsten hüllen sie sich gern in Schweigen. 

Die Zurückhaltung der Medien wird auch damit begründet, sich aufgrund des sogenannten Werthereffektes (auch bekannt als Nachahmer-Effekt) bei der Berichterstattung in Zurückhaltung zu üben. Diese Haltung basiert auf den Medienrichtlinien, aufgestellt in den "Richtlinien für die publizistische Arbeit nach den Empfehlungen des Deutschen Presserates." Dort heißt es, dass die Berichterstattung über Suizid Zurückhaltung gebietet. 

 

Nota bene: Diese Richtlinien basieren auf Forschungsergebnissen von "Experten", also meist Menschen, die das Thema Suizidalität nie selbst erlebt, sondern lediglich studiert haben. Der Werther-Effekt, also dass die Berichterstattung über Suizid zusätzliche Suizide auslösen kann, ist unbestritten. Es kommt aber immer noch auf das "Wie" an, und leider wird mit dem generalisierten Werther-Totschlag-Argument eine öffentliche Debatte über das Thema verhindert. Es wird Zeit, dass mehr Betroffene über das Thema berichten, denn die Entstigmatisierung und Entmystifizierung des Themas Suizid kann nur mit Betroffenen zusammen erfolgen, und zwar auf Augenhöhe. Denn wir Betroffenen sind auch Experten, nämlich Experten unserer eigenen Geschichte. Und darüber hinaus verfügen wir über ausreichend Empathie und Erfahrung, angemessen über das Thema zu berichten. 

 

Daher freue ich mich, dass ich mit meinem offenen Umgang und dem Vortrag einen Beitrag zur Entstigmatisierung leisten kann.